Samstag, 5. November 2011

Olgii - Ulanbator


In Olgii hatten wir nun alles geregelt. Wir hatten nun all unsere wertvollen Zollpapiere für die Ausreise in der Hand und wir sind unser geschundener Previa zu einem zu einem für uns überteuerten Preis losgeworden. Offenbar hat dieser Wagen mehr Wert als in der Schweiz… oder aber wir haben wir haben ihn in ein etwas besseres Licht gerückt, und wegen unseres Sprachdilemmas so einiges vergessen zu erwähnen. Auf jeden Fall wollten wir nun möglichst schnell von dem mongolisch-kasachischen Städtchen Olgii und weiteren unangenehmen Komplikationen wegkommen. So entschieden wir uns noch am selben Abend mit diesem nett aussehenden russischen Minibus in Richtung Ulanbator loszufahren. Leider musste unser Fahrer Joscho den Wagen erst reparieren bevor wir losfahren konnten. Es waren aber nur kleine Bagatellreperaturen wie die hintere Radaufhängung ersetzen, einige fehlende Radschrauben einsetzen und Öl für den undichten Kupplungszylinder nachfüllen. Das war uns in dieser Situation egal, wir wollten einfach aus dieser Stadt wegkommen. Im Nachhinein haben wir diese Entscheidung mehrfach bereut…


Endlich fuhren wir los. Die komfortable Seite des geländegängigen Fahrzeugs lernten wir bereits auf den ersten Kilometern kennen. Im Gegensatz zum Previa konnten die Sitze jederzeit in jede beliebige Position verstellt werden, denn sie waren nicht befestigt und so verschoben sie sich bei jeder noch so kleinen Unebenheit. Das chinesische Radio konnte sehr simpel mit einem Memory-Stick gefüttert werden. Allerdings war die Lautstärke irgendwie Spannungsabhängig und so verstellte sich das ganze ständig wie von Geisterhand, bis es später den Geist aufgab. Auch eine längere Reparatur konnte dem nicht entgegenwirken. Eine Heizung war nicht vorhanden und eine Klimaanlage war in diesem Wagen nicht nötig, denn die Tür konnte ohnehin nicht richtig geschlossen werden, und eine kühle Brise war allen äusserst willkommen. Denn wir waren mit allem Eingekleidet was wir finden konnten da die Temperaturen schon lange nicht mehr über dem Gefrierpunkt waren. Ausserdem zog es auch immer schön etwas Staub von der Schotterstrasse hinein, welche die Benennung Strasse wohl nicht verdient hat. Strassen waren nicht zu erkennen, eher Holperpfade oder Wellblechpisten. Für die 50-Jährige Blattfederung des Gefährts war das aber kein Problem, die Schläge wurden tiptop auf die Insassen übertragen.

Nach den ersten 100 km war bereits die erste Reparatur nötig. Der Motor stockte und der Chauffeur holte zum ersten Mal sein Bordwerkzeug heraus. Mit gekonnten Griffen reparierte er den Vergasermotor, so dass wir wieder auf allen Zylindern mit der bescheidenen vollen Leistung weiterfahren konnten. Dieses Spiel wiederholte sich alle paar 100km und wir machten uns nichts draus, da er das Gefährt immer wieder in Gang gebracht hat.

Nachts assen wir in einem Truckstop eine richtig einheimische Mahlzeit. Der Fahrer meinte, dass er bei diesen Temperaturen die Karre wohl am nächsten Tag wohl nicht starten könne, und so fuhren wir vom Essen gestärkt und etwas weniger durchfroren weiter. Die erste Nacht verbrachten wir halb schlafend, von der Kälte gequält und durchgeschüttelt bis wir am Horizont eine erlösende Morgenröte erkennen konnten.
Nun durchquerten wir weite Ebenen, gesäumt von schneebedeckten Bergketten. In der Kalten Wüste sahen wir zum ersten Mal diese Jurten in der unendlichen Steppe, neben denen riesige Herden von Schafen Ziegen und weideten. Auch Kamele und Yaks suchten ihre Nahrung in der kalten Einöde.

Wir assen ein wärmendes Frühstück in einer dieser Jurten und tranken Tschai, was hier soviel ist wie Schwarztee mit viel Stutenmilch und Salz. Joscho unser Fahrer schlief sofort ein.
Später fuhren wir weiter und betrachteten die Landschaft soweit das möglich war neben den äusserst unkomfortablen Bedingungen, die diese Blechkiste bieten konnte.

Nach zwei weiteren Reparaturen von Auspuff und Bremse fuhren wir in Richtung Westen, der Abendsonne entgegen. Unser Fahrer Schaukelte uns über die Wellblechpiste in die immer dunkler werdende Landschaft. Trotz der durchdringlichen Kälte, dem feinen Staub in der Luft, der mangelnden Beinfreiheit, der unbequem aufrechten Sitzposition und der unendlichen Schläge durch die Beschaffenheit des Bodens, wurden wir alle allmählich vom Schlaf übermannt.

Plötzlich wurden wir durch ein jähes Manöver des Fahrers mit anschliessendem Rumpeln aus dem Schlaf gerissen. Der Fahrer lenkte den Wagen mit noch zu hoher Geschwindigkeit auf einen Erdhügel, der sich mitten auf der Strasse auftürmte. Ehe wir uns besinnen konnten was geschah, schossen wir diesen immer näher kommenden Hügel hinauf und genau so schnell wieder hinunter. Dabei flog der ganze Inhalt des Wagens mit unserem Gepäck, dem Inhalt der Werkzeugkiste und den nicht befestigten Sitzen mit uns durch den Innenraum. Der Wagen verliess die Strasse und fiel einen Abhang hinunter wobei er kippte und auf der Seite zum Stillstand kam. Ãœberall war Staub und für einen Moment war alles still. Ohne zu verstehen was genau geschah, krochen wir mit bereits hohem Adrenalinspiegel aus der zerbrochenen Frontscheibe. Nachdem alle unversehrt aus ihren misslichen Lagen verklemmt unter den losen Sitzen befreit wurden, konnten wir erkennen was wirklich geschehen war. Die Strasse, auf der wir fuhren, wurde durch eine noch nicht fertig gebaute Ãœberführung über einen kleinen Flusslauf unterbrochen. Da das Vehikel über ein äusserst schlechtes Vorderlicht verfügte, hat der Fahrer die Stelle, an der Die Strasse fehlte zu spät erkennen können. Nun lag sie geschunden da, unsere ohnehin schon sehr angeschlagene Mitfahrgelegenheit. Auf der Suche nach Hilfe stiessen wir auf Chinesen vom Strassenbau mit grossen Baumaschinen. Diese Boten uns aber keine Hilfe, denn nachdem sie kapierten was geschehen war, holten sie schleunigst Verstärkung und begannen die unfertige Baustelle auszubessern. Sie schütteten sofort die Ãœberführung zu und planierten die Strasse, so dass sie nicht für den Schaden, der durch ihre begonnene Baustelle geschehen ist, haften müssen. Mittlerweile halfen uns zwei vorbeikommende Kleinlastwagen das Russenbüssli wieder auf die Räder zu stellen. Während wir die Sitze wieder in Ordnung brachten und das Gepäck wieder einräumten, begann der Fahrer die erstaunlich robuste Karosserie mit einer Ersatzantriebswelle wieder gerade zu klopfen, so dass wenigstens das Kupplungspedal durchgedrückt werden konnte und die verzogenen Türen unter erheblichem Kraftaufwand wieder geschlossen werden konnten. Wären wir nicht verlassen irgendwo in der Wüste bei minus 20°C um zwei Uhr morgens abseits der Strasse gewesen, hätten wir keinen Fuss mehr in diesen Wagen gesetzt. Wir hatten aber keine Wahl. Nach langem herumbasteln konnte Joscho, der bislang keine Miene verzog, die zähe Kiste wieder zum Leben erwecken.

Ohne Frontscheibe ging die Fahrt weiter, aber schon nach wenigen Kilometern wurde es unaushaltbar kalt. Unser Chauffeur montierte kurzerhand einen mitgeführten alten Teppich anstelle der Frontscheibe, in den er als Guckloch eine kleine Öffnung einschnitt. So fuhren wir bis in die Morgenstunden, ohne ein weiteres Auge zu schliessen. Bei jeder noch so kleinen Schräglage des Gefährts kam in jedem von uns ein dumpfes Gefühl von Übelkeit auf, begleitet von einem kleinen Schauer über den ohnehin schon kalten Rücken.

Als es hell wurde machten wir einen erlösenden Halt in einer Jurte und versuchten uns vom Schock zu erholen und etwas schlaf zu finden. Die dort wohnhafte Familie kochte uns ein herrliches traditionell mongolisches Essen und Köbi durfte sogar den eingekochten Knochen abgnagen. Uns war es nun wohler mit festem Boden unter den Füssen. Joscho aber hatte alle Hände voll zu tun. Ohne sich vorhin an einem Tee zu wärmen machte er sich an die Arbeit an seinem verbeulten Gefährt. Mit transparentem Klebband, einem Stück Scheibe und Karton machte er sich an die Arbeit, eine neue Frontscheibe zu kreieren. Nach einigen Stunden war sein Meisterwerk fertig und die Reise konnte fortgesetzt werden.
 

Wir fuhren wieder durch die schier unendlichen Weiten, aber unser Auge für die Schönheit des Landes hat etwas abgenommen. Durch die fast undurchsichtige neue Scheibe hefteten unsere Augen auf dem vor uns liegenden Terrain. Gegen Abend näherten wir uns einer kleinen Stadt, was sich nun als Problem herausstellte. Joscho wollte so unter keinen Umständen der Polizei in die Hände fallen, da diese ihm die absolut nicht fahrtaugliche Kiste umgehend wegnehmen würden. So warteten wir auf die Dunkelheit und umfuhren die Stadt grossräumig. Anfangs schien alles zu funktionieren, auch der teilweise vereiste Fluss, den es zu durchqueren hiess, schien kein unüberwindbares Problem darzustellen. Bis schlussendlich auf einem vereisten Kieshügel zwischen zwei Flussläufen der Wagen zum Stillstand kam und der Motor nicht mehr mitspielte. Erneut klappte der zähe Joscho die Motorklappe auf und begann mit seinem bescheidenen Werkzeug zu hantieren. Ständig versuchte er den Motor zu starten jedoch ohne erfolg. Nach zwei geschlagenen Stunden glaubten wir die Batterie mache nun schlapp, als plötzlich das erlösende aufheulen des Motors unsere schon schläfrigen Gemüter wieder zuversichtlich stimmte. Laut knarrend legte er den Gang ein und bewegte das Gefährt in Richtung Wasser, wobei die sich die angefrorenen Räder vom steinernen Untergrund lösten. Die Umfahrung des Städtchens war geglückt, aber der Weg bis Ulanbator war noch lang.

Als es nicht mehr dicker kommen konnte kam es dünner, wir hatten wieder mal etwas Schlechtes gegessen und…. Wir fuhren also wieder in den Tag hinein und die Strassen wurden endlich etwas besser. Wir hatten nun den Unfall etwas verarbeitet und hatten wieder mit den üblichen Beschwerden zu kämpfen. Eiskalte Füsse, tropfende Nase, unbequeme Sitze und… naja ihr wisst schon.
Das gefrorene Wasser in den Petflaschen musste jeden Morgen auf die Motorklappe gelegt werden ehe es trinkbar war, aber auch damit konnte man leben. Wir kamen Kilometer für Kilometer näher an die Hauptstadt Ulanbator heran, dies zeigte sich durch die häufiger werdenden Polizeikontrollen. Einmal konnte der Chauffeur die Polizei gekonnt mit einem Schmiergeld dazu bewegen, ihn fahren zu lassen. Jedoch beim zweiten Mal kam es soweit, dass wir unser Hab und Gut ausladen mussten. Er musste den Wagen auf der Stelle der Polizei übergeben und wir wurden in ein Taxi geladen. So haben wir unser Fahrer seinem Schicksal überlassen und haben ihn seitdem nicht mehr gesehen. Endlich hatte die Fahrt in diesem Schrotthaufen ein Ende, und wir werden nie mehr einen Fuss in solch eine Kiste setzen. Glücklicherweise waren wir nur noch etwas mehr als eine Stunde von Ulanbator entfernt und wir konnten aufatmen, als wir endlich in einem Hotel abgesetzt wurden.

Wir sind nun im UB Guesthouse was sehr zu Empfehlen ist. Als nächstes werden wir einen 6 Tägigen Trip durch die Mongolei unternehmen. Als Transportmittel werden wir wiederum… siehe Bild

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